Stellen wir uns einmal vor, ein nachhaltig und ethisch einwandfrei agierender Landwirt hat einen seiner Äcker neben einem Versuchsgebiet für gen-veränderten Mais eines Unternehmens der Agro-Chemie. Unser Landwirt, mit geringen Margen wirtschaftend, trägt sein verdientes Geld zu seiner örtlichen Bank. In seinem Wertpapierdepot liegen natürlich nur Aktien und Fondsanteile von Unternehmen und Fonds, die nachgewiesener Maßen ethisch vertretbar sind und nachhaltigen Standards entsprechen. Um Gelder, die er nicht sofort, aber absehbar benötigt, zumindest leicht verzinst anzulegen, unterhält er noch ein Tagesgeldkonto – so weit, so gut.
Refinanzierung von Kundeneinlagen ist ethisch betrachtet oft kritisch
Banken refinanzieren die Zinsen für Einlagen, sprich Spar-, Tages- und Termingeldkonten, nicht nur durch die Zinseinnahmen aus Krediten, sondern auch durch Re-Investitionen in Wertpapiere anderer Unternehmen. Das genau ist die Krux für unseren Landwirt – aktiv im Widerstand gegen genetisch verändertes Gemüse erwirtschaftet er seine Zinsen auf dem Tagesgeldkonto mit großer Wahrscheinlichkeit auch aus Unternehmensanleihen gerade der Unternehmen, die ihm ein Dorn im Auge sind – nur: er weiß es nicht. Kaum ein Kreditinstitut steht öffentlich zu seiner Anlagepolitik, respektive legt detailliert offen, wo und in welchem Umfang Kundengelder investiert sind. Eine Mitsprache der Kunden bezüglich der Re-Investitionen ist in Deutschland eigentlich völlig undenkbar – wirklich?
Kundenbefragung per Internet – eine Bank macht es vor
Nicht wirklich – es gab dieses in der deutschen Bankenlandschaft einmalige Ereignis: Die Kunden einer Bank haben darüber abgestimmt, ob eine Wertpapierposition im Portfolio der Bank verbleiben soll oder, ethisch gesehen, gegen die Ansprüche der Anleger verstößt.
Gehen wir ein paar Jahre, genau genommen in das Jahr 2002, zurück. Eine kleine, im thüringischen Eisenberg angesiedelte Volksbank, die Volksbank Eisenberg, gründet eine Zweigniederlassung – die EthikBank. Der Vorstandsvorsitzende der beiden Banken, Klaus Euler, erzählt später gerne, dass die damals noch nicht dem Vorstand angehörende Mitarbeiterin Sylke Schröder eine Vision verfolgte, die ihn letztendlich überzeugte. Die Gründung einer Bank, deren Prinzip nicht das gnadenlose Geldvermehren ist, sondern eine Verbindung aus Bankgeschäft und ethisch, nachhaltigen und ökologischen Prinzipien, die letztendlich zu einer win-win Situation für alle Beteiligten führen. „Alle Beteiligten“ sind nicht nur Bank und Kunden, sondern im Rahmen des sozial-politischen Engagements des Unternehmens unbeteiligte Dritte in Afghanistan, Bulgarien und den Ländern der Dritten Welt.
Die ethisch zu berücksichtigenden Prinzipien, die das Unternehmen von Anfang an in den Fokus der Geschäftspolitik stellte, führten auch zu der zitierten Kundenbefragung. Das Portfolio der EthikBank enthielt ein kleines Aktienpaket der Allianz, die wiederum Aktien an der EADS hält – die EADS ist bekanntermaßen auch im Rüstungsbereich aktiv. Die Frage des Vorstandes war, ist das Aktienpaket der Allianz klein genug, als dass es akzeptabel ist oder soll der Gedanke der „gläsernen Bank“ bis in die letzte Konsequenz umgesetzt werden und die Entscheidung „Allianz ja oder nein“ den Anlegern überlassen werden?
Das Unternehmen entschied sich für eine Kundenbefragung – die Anleger haben sich deutlich gegen die Allianz ausgesprochen.
Die EthikBank – Idee und Umsetzung
2002 wurde die EthikBank gegründet – bereits über die Tagesgeldkonten der Volksbank Eisenberg hatten die Anleger die Möglichkeit, Gelder an ethisch ausgerichtete und ökologische Projekte zu spenden – die Bank wollte einen Schritt weiter gehen. Durch gezielte Anlage der Kundengelder in Wertpapiere und Investments, die den Vorstellungen der Kundenzielgruppe des Unternehmens entsprechen, wird aktiv die Akzeptanz oder Ablehnung von Unternehmen praktiziert, die nicht den allgemein gültigen ethischen und nachhaltigen Grundsätzen entsprechen und andererseits durch den fokusierten Einsatz der Gelder am Finanzmarkt Unternehmen mit ethischer Ausrichtung gestärkt. Auf der Aktiv-Seite, der Kreditvergabe, verzichtet das Kreditinstitut völlig auf die Finanzierung herkömmlicher Kunden-Investitionen. Kredite stehen jeweils in einem direkten Zusammenhang mit nachhaltigen und sozialen Projekten.
Noch einmal: wie wäre es mit einem gen- oder atom-freien Konto?
Die Geschäftspolitik der Ethik-Bank lässt keinen Zweifel daran, dass dort investierte Gelder, seien es Einlagen oder Guthaben auf Girokonten, nicht in ethisch diskussionswürdige Anlagen fließen. Teilnehmer an einer Anti-Atomkraft-Demonstration wissen vielleicht nicht, dass ihre Ausgaben durch den Zinsertrag aus Anleihen der Atomindustrie finanziert werden, wären aber noch begeisterter, wenn sie sich bewusst sein könnten, dass ihr Bankkonto atom-frei ist.
Sylke Schröder, im Vorstand der EthikBank unter anderem für Marketing verantwortlich, hat in einem Interview geäußert, dass es ihr Ziel sei, dass ethisches Banking den gleichen Stellenwert und Bekanntheitsgrad bei den Verbrauchern genießen wird, wie ungespritzte Äpfel vom Bio-Bauer. Die kleine Direkt-Bank ist auf dem Weg dazu.