Walhai – der sanfte Riese mit vielen Geheimnissen
Sie sind schon beeindruckend, die Riesen unter den Haien, die so gar nichts von der Aggressivität eines Weißen Hais oder eines Tigerhais haben. Walhaie sind sanft, sie beißen nicht und lassen sich auch ohne Probleme von staunenden Urlaubern beobachten. Der Walhai, der den lateinischen Namen Rhincodon typus trägt, ist der größte Fisch, der derzeit die Meere bevölkert. Und ausgerechnet dieser Riese ernährt sich von den kleinsten Meeresbewohnern, die er nicht jagt, sondern aus dem Wasser filtert. Er ist der typische „good boy“ unter den Haien, den Du theoretisch sogar streicheln könntest.
Einmal Maß nehmen bitte
Walhaie sind die Riesen dieser Welt. Im Wasser macht ihm lediglich der Blauwal Konkurrenz. Der längste Walhai, der auch tatsächlich gemessen wurde, hatte eine Länge von 13,7 Metern. Es gibt aber auch Sichtungen, nach denen es Exemplare von bis zu 20 Metern geben soll. Aber auch sonst ist der Walhai ein wahrer Gigant:
- Walhaie gehören zur Ordnung der Ammenhaiartigen.
- Der Walhai ist die einzige Haiart in der Gattung der Rhincodon, der einzigen Gattung der Familie Rhincodontidae.
- Exemplare mit einer Länge von 13,7 Metern wurden tatsächlich schon gemessen. Vermutlich gibt es aber auch längere Tiere.
- Beim Gewicht stehen Walhaie mit ganz vorn auf der Liste. Mit einem Gewicht von 12 bis 20 Tonnen haben sie sich auf den zweiten Platz der Liste der schwersten Tiere katapultiert.
- Walhaie gibt es in blauer, grauer und bräunlicher Färbung. Dabei ist der Bauch immer heller als der Rücken. Dieser ist aber von hellen Flecken und Streifen gekennzeichnet. Ob die farbliche Gestaltung wirklich eine Bedeutung hat, steht infrage, denn die Giganten sind durch die riesigen Flossen schon von Weitem zu erkennen.
- Die Schnauze ist flach und stumpf. Der Kopf ähnelt eher einem Viereck. Dem Hai fehlt die stromlinienförmige Gestalt. Das breite Maul ist aber für die Nahrungsaufnahme notwendig. Mit weit geöffnetem Maul schwimmen die Tiere dicht an der Wasseroberfläche. Das Wasser strömt ins Maul und wird über die Kiemen, die wie ein Filter wirken, wieder ausgestoßen. Plankton und Kleintiere sammeln sich im Maul, die der Hai von Zeit zu Zeit abschluckt. Aber auch Makrelen, Sardinen und andere kleine Fische gehören zu seiner bevorzugten Nahrung.
- Im Maul befinden sich etwa 3600 Zähne, die verhältnismäßig klein sind und in sehr dichten Reihen stehen. Bis heute ist nicht bekannt, wozu der Rhincodon typus diese Zähne benötigt, die nur wenige Millimeter groß sind.
- Und auch bei der Hautdicke ist der Hai eine Superlative. Mit 15 Zentimetern hat er die dickste Haut aller Lebewesen.
- Die geschwungene Schwanzflosse hat eine Höhe von bis zu vier Metern. Die Brustflossen messen bis zu zwei Metern.
- Man nimmt an, dass die Fische bis zu 100 Jahre alt werden können.
Walhaie sind fast überall zu Hause
Der Rhincodon typus ist ein echter Warmduscher. Ihm liegen Wassertemperaturen von 21° bis 25° Celsius. Deshalb sind Walhaie in allen tropischen und subtropischen Gewässern beheimatet. Besonders zwischen dem 30. und 40. Breitengrad und dem Äquator sind sie anzutreffen. Warmes Wasser liegt dem sanften Riesen. Es gibt aber Gebiete, die der Hai bevorzugt. Der Grund dafür ist vor allem die zur Verfügung stehende Nahrung. Gebiete, in denen Plankton gehäuft auftritt oder mit einer saisonalen Planktonblüte sind bei den Tieren beliebt. Hier sind die Riesen öfter anzutreffen. Sehr reizvoll sind für die Fische der Golf von Kalifornien, die Gewässer um die philippinischen Inseln, das Ningaloo Reef im Norden Australiens und die Küsten Belizes und Mosambiks sowie der Golf von Mexiko. Häufig wandern sie zwischen den küstenfernen Gebieten und dem nahen Ufern. Während die Weibchen lediglich kleine Strecken zurücklegen, sind die Männchen regen unterwegs.
Giganten mit vielen Rätseln
Vieles ist über die Meeresriesen noch nicht bekannt und liegt im Dunkeln. Walhaie sind Einzelgänger, die nur beim Fressen in großen Herden angetroffen werden. So finden von April bis Mai riesige Walhai-Versammlungen am Ninaloo-Riff statt. Zu dieser Zeit werden von den dort angesiedelten Korallen Milliarden von Spermien und Eiern abgestoßen – eine Delikatesse für die Giganten. Bis zu 6.000 Liter Wasser schleusen die Tiere pro Stunden durchs Maul und filtern daraus die begehrte eiweißreiche Nahrung. Beim Fressen wird ein aktiver Sog erzeugt. Die Tiere schwimmen dabei direkt unter der Wasseroberfläche, und das nicht selten vertikal. Im Gegensatz zu den meisten Haiarten befindet sich das Maul der Tiere am vorderen Kopfende und Ober- und Unterkiefer sind gleich lang. Bei den meisten Haien liegt es unterhalb der Schnauze.
Wer aber nun an langweilige Fressgiganten denkt, täuscht. Wissenschaftler vermuten, dass Walhaie über spezielle Rezeptorzellen im Gehirn verfügen und mit diesen viele Signale aus der Umwelt aufnehmen und verarbeiten. Dazu gehören chemische und mechanische Reize ebenso wie elektrische und visuelle Reize. Bis heute ist aber nicht bekannt, wie die Haie zu ihren Treffpunkten kommen, woher sie die Zeit kennen, die sie alle gleichzeitig am Treffpunkt eintreffen lässt und wo sie sich über den Rest des Jahres aufhalten. Es ist auch nicht klar, ob es wirklich immer die gleichen Tiere sind, die sich treffen. Ebenso ist unerforscht, wann Walhaie geschlechtsreif sind, welches Paarungsverhalten sie haben und wie hoch die Lebenserwartung ist. Dazu gibt es nur Vermutungen.
Tiefseetaucher und Schwimmer in einem
Die meiste Zeit schwimmen die Tiere mit etwa 5 km/h knapp unter der Wasseroberfläche. Die großen Fische können aber auch hunderte Meter tief tauchen. Wissenschaftler konnten in einer Studie belegen, dass die Tiere aber immer wieder an die Oberfläche kommen müssen. Unter Leitung von Dr. Michele Thums, Wissenschaftlerin an der University of Western Australia, wurde nachgewiesen, dass die Walhaie bis zu 100 Meter tief tauchen. Innerhalb kurzer Zeit kommen sie aber wieder an die Oberfläche, um sich aufzuwärmen. Die Tauchgänge können aber bis zu zwei Stunden und länger dauern. Die tiefsten Tauchgänge betrugen etwa 340 Meter. Dort betragen die Wassertemperaturen gerade einmal 14° Celsius – zu kalt für die wärmeverwöhnten Fische, die sich nach einem solchen Tauchgang im Sonnenlicht wieder aufwärmen müssen.
Lebendgebärende Haie mit Großfamilie
Im Jahr 1953 wurde im Golf von Mexiko ein Ei mit einer Größe von 30 x 14 x 9 cm gefunden. Darin befand sich ein 36 cm großer Walhai-Embryo. Mit diesem Fund sollte die schon lange existierende Vermutung bestätigt werden, dass Walhaie zu den Eier legenden Haiarten gehören. Dem ist aber nicht so. Vermutlich war das Ei lediglich eine Frühgeburt, wie all die anderen Eitaschen, die im Laufe der Zeit gefunden wurden.
1995 konnte ein schwangeres Weibchen vor Taiwan gefangen werden. Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass Walhaie lebend gebären. Bis zu 300 Junge kann ein Weibchen zur Welt bringen. Das Wunder daran: Nicht alle Jungen befinden sich im gleichen Entwicklungsstadium. Zwischen den Tieren liegen verschiedene embryonale Entwicklungsformen. Die am weitesten entwickelten Jungtiere liegen am nächsten an der Geburtsöffnung. Man vermutet, dass dies mit den Wassertemperaturen, dem Vorkommen an Nahrung und den Strömungen zu tun hat. Allerdings ist es aber nur eine Vermutung. Die Jungtiere schlüpfen bereits im Leib der Mutter aus dem Ei und haben bei der Geburt eine Größe von etwa 55 bis 64 Zentimetern.
Lediglich eine Vermutung ist auch die Geschlechtsreife, die bei den Tieren im Alter zwischen 10 und 30 Jahren liegen soll. Die Fische haben keine festen Paarungszeiten, wie es bei anderen Haiarten üblich ist. Jungtiere wurden zu allen Jahreszeiten in den unterschiedlichsten Regionen gesichtet.
Walhaie – eine gefährdete Tierart
Noch bis vor einigen Jahren waren die sanften Riesen eine leichte Beute für Fischer. Besonders die Treffen der Fische machten sie zu einer leichten Beute. Das weiße Fleisch und die kostbaren Flossen waren das Ziel. In Indien sollen allein drei Dörfer in einem Jahr ungefähr 1000 Walhaie getötet haben. Im August 2001 wurde der Fang von Walhaien auch von der indischen Regierung verboten, die es damit Ländern wie den USA, den Philippinen und Australien gleich machte. Walhaie stehen unterm strengsten Artenschutz. Der Fang und das Töten der Tiere werden streng bestraft. Der Handel mit Walhai-Produkten ist verboten. Genaue Aussagen über den derzeitigen weltweiten Bestand gibt es nicht. Sicher ist nur, sie sind vom Aussterben bedroht. Dank seiner Größe hat der Hai keine anderen natürlichen Feinde als den Menschen. Und dieser setzt dem Hai nach wie vor zu. Denn besonders in Hongkong und Taiwan ist die Nachfrage nach Haifleisch grenzenlos. In vielen Gebieten sind sie deshalb bereits ausgestorben oder davon bedroht. Walhaie stehen deshalb auf der Roten Lister der vom Aussterben bedrohten Tierarten.
Mit den Giganten der Meere tauchen
Es gibt viele Orte, an denen Du mit Walhaien tauchen und diese fotografieren kannst. Du musst nur zur passenden Zeit da sein. In den Sommermonaten bietet der Golf von Mexiko einzigartige Möglichkeiten, den Giganten Aug in Aug gegenüberzustehen. Vor der Küste der mexikanischen Halbinsel Cancún tauchen an jedem Morgen hunderte Haie auf, um ihre hungrigen Mägen zu stillen. Von Mai bis September kannst Du hier die weltweit größte Ansammlung dieser Haiart erleben. Allerdings ziehen die Riesen auch viel zu viele Touristen an. Inzwischen denkt die mexikanische Behörde darüber nach, Regeln aufzustellen und den Tourismus einzuschränken, um die Haie nicht zu stören.
Gute Chancen auf eine Begegnung mit den Riesen hast Du aber auch am Ari-Atoll (Malediven), Tofu (Mosambik) und der Cenderawasih Bucht in West-Papua (Indonesien). Hier soll es sogar eine standorttreue Population geben. Vor Oktober bis etwa zum August ist der Hai auch vor Southern Leyte (Philippinen) anzutreffen. Vielerorts gibt es inzwischen genaue Regeln zum Tauchen mit den Tieren, die Du beachten solltest. So ist meist nur Schnorchel gestattet. Und auch beim Fotografieren der Walhaie solltest Du Dich über die Regeln kundig machen. Fotografieren und Filmen sind zwar meist erlaubt, allerdings nur ohne Licht und Blitz, um die Tiere nicht aufzuschrecken.
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